Sonntag, 8. März 2009

April, April!

Vor ein paar Jahren erlebte ich an einem ersten April folgende Geschichte: Es war am späten Abend und ich sass im Zug von Zürich nach Uster. Wie meist um diese Zeit fand auch dieses Mal eine Billettkontrolle statt. Die Uniformierten gingen von Abteil zu Abteil und fragten nach Billett und Abo. Im Abteil schräg gegenüber von mir sassen zwei junge Männer, beide um die 20 und von Gesicht und Kleidung eindeutig als Balkanstämmige erkennbar. Sie unterhielten sich denn auch in ihrer Muttersprache, als die Kontrolleurin hinzutrat und sagte: „Die Billette, bitte.“ Der eine zückte sein Portemonnaie, streckte der Frau ein Papier hin, worauf diese zufrieden nickte. Sein Freund hatte auch den Geldbeutel gezückt, kramte aber umständlich darin herum. Die Bahnbeamte wartete. Verlegen stotterte der Mann, er finde seinen Fahrschein nicht. Aber er habe doch ein Billett gekauft, radebrechte er weiter. Sein Gegenüber pflichtete ihm bei – ebenfalls in sehr rudimentärem Deutsch. Die Kontrolleurin liess sich nicht aus der Ruhe bringen und nahm schon mal ihren Block hervor. Während sie ein leeres Formular für die Busse suchte, wollte der Passagier in kaum verständlichem Deutsch um Nachsehen bitten.
In den umliegenden Abteilen war die Szene nicht unbemerkt geblieben und wie immer in solchen Fällen liess sich auf den Gesichtern der Mitreisenden ablesen, was sie sich dachten: „Aha, mal wieder so ein Ausländer, der das Gefühl hat, er könne gratis Zug fahren.“ Oder: „Und dann noch auf Verständnis und Nachsicht hoffen, nein also das geht zu weit.“ Und ich muss zugeben, dass auch ich mir meinen Teil dazu dachte: „Zur Integration gehört eben auch, dass man sich an die hiesigen Gepflogenheiten und Regeln anpasst.“
Die Kontrolleurin war mittlerweile dazu übergegangen, den Namen des Sünders zu notieren. Das war sehr schwierig, da dieser sie kaum verstand und seine Angaben immer wieder korrigieren musste, weil er falsch buchstabiert hatte. Die Bahnbegleiterin war sichtlich genervt und versuchte gleichzeitig Haltung zu bewahren und ihre Arbeit zu machen. Der Mann entschuldigte sich in kargem Deutsch dafür, dass er kein Billett habe. Als die Kontrolleurin die Angaben des Mannes endlich hatte, streckte sie ihm den Bussenzettel hin, damit er unterschreibe.
Plötzlich schaute der junge Ausländer die Frau an und fragte in tadellosem Deutsch: „Welches Datum ist eigentlich heute?“ Die Bahnbegleiterin war etwas verdutzt ob den plötzlichen Sprachkenntnissen des Mannes und sagte: „Ähm, der erste April…“ – Und mit einem breiten Grinsen streckte ihr der vermeintliche Schwarzfahrer seinen Fahrschein entgegen. Einen Moment lang zögerte die Frau, dann begann sie zu lachen. „Da haben Sie mich ganz schön erwischt!“ Und nicht nur die Zugbegleiterin, auch die Leute in den anderen Abteilen kamen sich ganz schön an der Nase herumgeführt vor. Denn der junge Mann aus dem Balkan hatte verstanden, was Integration wirklich heisst. Nicht nur die Sprache, sondern auch die Bräuche hatte er in der neuen Heimat gelernt.

Keine Kommentare: