Montag, 24. Dezember 2007

Von A-Menschen und B-Menschen

Irgendwie habe ich es schon immer geahnt: Die Skandinavier sind uns in Vielem voraus. Es ist allgemein bekannt, dass in Schweden nicht nur die Mutter, sondern auch der Vater einen Urlaub erhält, nachdem sein Nachwuchs zur Welt gekommen ist. Aber weder ist deswegen der Wohlstand der Schweden im Keller, noch sind die skandinavischen Männer allesamt birkenstocktragende Softies. Vielmehr schafft dieses Modell die Grundlage für eine wirklich chancengleiche Gesellschaft.
Aber nicht nur beim Vaterschaftsurlaub, auch bei viel profaneren Fragen ist man uns in Nordeuropa einen grossen Schritt voraus. Neulich las ich, dass in Dänemark eine Gesellschaft gegründet worden sei, deren Ziel es ist, die Interessen von so genannten B-Menschen zu vertreten. B-Menschen sind keine Wesen zweiter Wahl, wie man vielleicht meinen könnte. Zum B-Menschen wird man nicht gemacht, sondern erklärt sich selber dazu. Oder noch besser: Die eigene Biologie entscheidet darüber, ob man ein A- oder B-Mensch ist. A-Menschen stehen lieber früh auf, beginnen noch vor acht Uhr zu arbeiten und machen am Nachmittag früh Schluss. B-Menschen funktionieren andersherum. Sie schlafen lieber aus, tauchen vielleicht erst um zehn hinter dem Schreibtisch auf und haben am Nachmittag und abends ihre beste Schaffensphase.
Die neu gegründete Vereinigung will sich in Dänemark nun für die Interessen der B-Menschen einsetzen. Neue Technologien wie E-Mail und drahtloses Internet ermöglichten, dass nicht alle Arbeitnehmer zur gleichen Zeit am gleichen Ort sein müssten, so die 29-jährige Initiantin Camilla Kring. Sie und ihre Mitstreiter sind überzeugt, dass die Wirtschaft im Endeffekt profitieren wird: Wer Arbeit und eigene Bedürfnisse vereinen kann, ist motivierter und dadurch produktiver. Wenn ein B-Mensch gezwungen wird, vor zehn Uhr kreativ zu sein, ist das etwa so erfolgsversprechend wie wenn man einen Fussballer zum Eiskunstläufer machen will. Wieder einmal könnten wir also etwas lernen von den Skandinaviern – und wenn es nur die Erkenntnis wäre, dass nicht jeder, der morgens gerne länger liegen bleibt, ein Nichtsnutz ist.
Und noch etwas könnten wir von den Dänen lernen: Die dänischen Krippen seien auf jene Eltern ausgerichtet, die von 8 bis 16 Uhr arbeiten, sagt B-Mensch Kring in einem Interview. 8 bis 16 Uhr? Tönt gar nicht mal so schlecht. Vielleicht sollten wir uns zwischendurch vornehmen, nach das Büro skandinavischer Art um 16 Uhr statt nach gut helvetischer Art erst nach 18 Uhr zu verlassen.

Die Zweiklassengesellschaft

Wer mit offenen Augen durch die Welt und insbesondere durch die Bahnwagen der SBB geht, konnte in jüngster Zeit den Verdacht nicht loswerden, dass die Menschen näher zusammengerückt sind. Es ist augenfällig: Aus einer Vierklassengesellschaft ist eine Zweiklassengesellschaft geworden. Bis vor ein paar Jahren gab es in jedem Zug vier verschiedene Abteile: Eines für die rauchenden Reichen, eines für die nicht rauchenden Reichen, und je eines für qualmende und gesund lebende Menschen mit kleinem Portemonnaie. Gegenwärtig stehen sich nur noch die Reisenden der ersten Klasse und jene der zweiten gegenüber. Die Raucher und Nichtraucher beider Klassen haben sich vereinigt. Aus dieser Feststellung den Schluss zu ziehen, dass die Menschen einander tatsächlich näher gekommen sind, ist aber leider kreuzfalsch. Raucher und Nichtraucher sind weiter voneinander entfernt denn je. Auf beiden Seiten wird mit einer Vehemenz gekämpft, die ihresgleichen sucht.
Besonders beliebt bei Rauchern ist das Argument, dass es sich um ein persönliches Recht handle, sich einen Glimmstängel anzustecken – wo und wann immer man möchte notabene. Da kann ich als Nicht- (und Ex-)Raucher nur hoffen, dass meine Entscheidung, keinen Rauch einzuatmen ebenso respektiert wird. Grundsätzlich bin ich ja nicht gegen das Rauchen, schliesslich bringt es Farbe ins Leben: Die Finger werden gelb, die Zähne braun, die Lungenflügel schwarz – da sollte einfach jeder selber entscheiden können, wie viel Farbe er seinem Leben geben will.
Zumal es zu bedenken gilt, dass das demokratisch eingeforderte Recht auf Qualm ja nur für eine Minderheit gilt. Wenn nur 20 oder 30 Prozent einer Gesellschaft rauchen, dann ist es nach meinem Demokratieverständnis legitim, wenn sich die Mehrheit für ihr Anliegen stark macht. Den Minderheitenschutz sollte man in diesem Punkt nicht überstrapazieren.
Übrigens zeigt die Erfahrung, dass es durchaus Lösungen gibt, die für alle annehmbar sind. Im frisch renovierten Café Sprüngli am Zürcher Paradeplatz gönnte ich mir neulich einen Kaffee – ohne Rauch in der Nase. Das Lokal ist strikt aufgeteilt in Raucher- und Nichtraucherplätze. Letztere Zone wird zudem gut entlüftet. Und das Beste daran: Die Nichtraucherzone ist klar die schönere, weil hellere Hälfte des Raumes.
Übrigens stimmt es wohl, was viele Raucher behaupten: Die schlimmsten Scharfmacher bei den Nichtrauchern sind die ehemaligen Raucher. Das kann ich bestätigen. Warum das so ist, darüber kann ich nur mutmassen. Vielleicht, weil die ehemaligen Raucher wissen, dass weniger Farbe im Leben komischerweise ein farbigeres Leben bedeutet.