Mittwoch, 30. Mai 2007

Verhüllungstaktik

Die schlechten Dinge haben ja manchmal auch ihre guten Seiten. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat neulich die Bevölkerung dazu aufgefordert, Atemschutzmasken zu kaufen. Mindestens 50 Stück sollte jede und jeder zu Hause auf Vorrat haben, für den Fall dass die Gefahr über uns hereinbrechen sollte. Gemeint sind aber weder der Sommer-Smog noch die alljährlich wiederkehrende Ozonbelastung. Daran sollen sich die Leute gewöhnen oder einfach während dem Sommerhalbjahr ihre Wohnung nicht mehr verlassen, was dank Online-Shopping ja problemlos möglich ist.
Das BAG warnt vor einer ganz anderen Gefahr, nämlich der Vogelgrippe. Wenn die Pandemie kommt, dann hilft nämlich nur noch eins: Maske auf und Hände weg! Von allem. Denn mit den Händen überträgt man oft Krankheitskeime. So weit so gut, doch am Alarmismus des Bundesamtes erstaunen zwei Faktoren: 1. Der Zeitpunkt und 2. Die Wirksamkeit der Massnahme. Den Zeitpunkt erklären die Verantwortlichen damit, dass die Gefahr allgegenwärtig sei und man nie genug gewappnet sein könne. Dann könnte das BAG den Bürgern allerdings auch Ohrenstöpsel gegen schlechtes Privatradio und einen Notvorrat an Büchern gegen den Analphabetismus empfehlen. Denn diese Gefahren lauern auch überall und ihre Auswirkungen sind vielleicht noch schlimmer. Zum zweiten Punkt sei nur Folgendes gesagt: Die Wirksamkeit von Atemschutzmasken ist so klein, dass man sich fragen muss, ob das BAG nicht den Grossverteilern helfen will, ihre Lagerbestände aus Sars-Zeiten zu liquidieren. Die Verantwortlichen räumten denn auch ein, dass die Maske nach drei Stunden von der Atemluft feucht sei und nichts mehr tauge. Dass sie vorher nicht viel mehr taugt, wollte niemand verraten. Weder eine hundskommune, geschweige denn die böse Vogelgrippe lassen sich von den Atemmasken aufhalten. Offenbar will man damit vor allem eines: das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung stärken.
Es gibt aber noch einige Fragen, die das BAG bis jetzt nicht beantwortet hat: Dürfen Raucher ein Loch in die Maske schneiden? Wer garantiert mir, dass ich nicht für einen vermummten Demonstranten gehalten und verhaftet werde? Müssen Chirurgen nun keine Masken mehr tragen? Oder gleich zwei? Und was mache ich, wenn der Vorrat an Schutzmasken nach schätzungshalber einer Woche aufgebraucht ist? Am besten wohl das: vor Erleichterung tief Durchatmen.

Mittwoch, 2. Mai 2007

Die Sprache der Kleider

Neulich habe ich eine Frau gesehen, die ein T-Shirt trug, auf dem in geschlungenen Buchstaben ein einziges Wort stand: Summer. Bloss Summer. Ein englisches Wort, gewiss, aber das war gar nicht, was mich zum Nachdenken brachte. Englische Wörter sind wir uns mittlerweile gewohnt und schliesslich könnte das Wort ja auch Schweizerdeutsch sein. Nein, viel mehr fragte ich mich: Was bringt eine Frau dazu, ein Leibchen überzustreifen, auf dem der Name einer Jahreszeit steht? Würde sie auch mit dem Aufdruck „Blume“ oder „Verbrennungsmotor“ auf der Brust durch die Gegend gehen? Und die vielleicht wichtigste Frage in diesem Zusammenhang: Was will uns diese Person sagen? Dass es Sommer ist? – Das haben wir ja selber gemerkt, bei 25 Grad am Schatten. Was dann? Dass es Sommer wird? Das wäre dann eine ziemliche Nullnummer. Jede Kind weiss, dass der Sommer kommt, ob es dann regnet oder die Sonne brutzelt ist einerlei.
Bei meiner Arbeit als Snowboardlehrer hatte ich einmal einen Knaben in einem Kurs, der eine Jacke trug mit der Aufschrift: „Active Kids run away“. Ich fragte mich dasselbe wie bei der Dame mit dem Jahreszeiten-Leibchen: Was will mir dieser Mensch mitteilen? Und wie um Gottes Willen kommen Eltern dazu, ihrem Kind eine solche Jacke zu kaufen? Zum Glück hatte der Junge keine Ahnung, was auf seinem Anorak stand – die Geschichte spielt in der Zeit vor dem Frühenglisch –, sonst wäre er wohl auf und davon. Der Junge war nämlich tatsächlich ein aufgewecktes Kerlchen.
Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawik sagte einmal: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Er hatte zweifelsohne Recht, denn egal, was wir tun oder nicht tun, sagen oder nicht sagen – immer ist Verhalten als Kommunikation deutbar. Mit diesem Wissen könnte man beim nächsten Kleiderkauf kritisch vor den Spiegel treten und sich fragen: Wenn ich schon ständig mit meiner Umwelt kommunizieren muss, wäre es dann möglich, eine gescheitere Botschaft zu finden?