Montag, 24. Dezember 2007

Die Zweiklassengesellschaft

Wer mit offenen Augen durch die Welt und insbesondere durch die Bahnwagen der SBB geht, konnte in jüngster Zeit den Verdacht nicht loswerden, dass die Menschen näher zusammengerückt sind. Es ist augenfällig: Aus einer Vierklassengesellschaft ist eine Zweiklassengesellschaft geworden. Bis vor ein paar Jahren gab es in jedem Zug vier verschiedene Abteile: Eines für die rauchenden Reichen, eines für die nicht rauchenden Reichen, und je eines für qualmende und gesund lebende Menschen mit kleinem Portemonnaie. Gegenwärtig stehen sich nur noch die Reisenden der ersten Klasse und jene der zweiten gegenüber. Die Raucher und Nichtraucher beider Klassen haben sich vereinigt. Aus dieser Feststellung den Schluss zu ziehen, dass die Menschen einander tatsächlich näher gekommen sind, ist aber leider kreuzfalsch. Raucher und Nichtraucher sind weiter voneinander entfernt denn je. Auf beiden Seiten wird mit einer Vehemenz gekämpft, die ihresgleichen sucht.
Besonders beliebt bei Rauchern ist das Argument, dass es sich um ein persönliches Recht handle, sich einen Glimmstängel anzustecken – wo und wann immer man möchte notabene. Da kann ich als Nicht- (und Ex-)Raucher nur hoffen, dass meine Entscheidung, keinen Rauch einzuatmen ebenso respektiert wird. Grundsätzlich bin ich ja nicht gegen das Rauchen, schliesslich bringt es Farbe ins Leben: Die Finger werden gelb, die Zähne braun, die Lungenflügel schwarz – da sollte einfach jeder selber entscheiden können, wie viel Farbe er seinem Leben geben will.
Zumal es zu bedenken gilt, dass das demokratisch eingeforderte Recht auf Qualm ja nur für eine Minderheit gilt. Wenn nur 20 oder 30 Prozent einer Gesellschaft rauchen, dann ist es nach meinem Demokratieverständnis legitim, wenn sich die Mehrheit für ihr Anliegen stark macht. Den Minderheitenschutz sollte man in diesem Punkt nicht überstrapazieren.
Übrigens zeigt die Erfahrung, dass es durchaus Lösungen gibt, die für alle annehmbar sind. Im frisch renovierten Café Sprüngli am Zürcher Paradeplatz gönnte ich mir neulich einen Kaffee – ohne Rauch in der Nase. Das Lokal ist strikt aufgeteilt in Raucher- und Nichtraucherplätze. Letztere Zone wird zudem gut entlüftet. Und das Beste daran: Die Nichtraucherzone ist klar die schönere, weil hellere Hälfte des Raumes.
Übrigens stimmt es wohl, was viele Raucher behaupten: Die schlimmsten Scharfmacher bei den Nichtrauchern sind die ehemaligen Raucher. Das kann ich bestätigen. Warum das so ist, darüber kann ich nur mutmassen. Vielleicht, weil die ehemaligen Raucher wissen, dass weniger Farbe im Leben komischerweise ein farbigeres Leben bedeutet.

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