Samstag, 18. August 2007

Der 1. August 2008 ist gerettet

Neulich habe ich auf einer Speisekarte ein Gericht entdeckt, das ich vor lauter Ethnofood schon längst tot geglaubt hatte: Wurstsalat garniert. Es gibt wohl nichts Urschweizerischeres als einen Wurstsalat.
Doch im Gegensatz zur hiesigen Demokratie und Eigenständigkeit ist dieses nationale Symbol wirklich bedroht. In einen Wurstsalat gehört ja nicht irgendeine Wurst, sondern ein in Scheiben geschnittener Cervelat.
Dieser Wurst geht es jetzt aber an den Kragen, weil die «Haut», wie die Import-Rinderdärme verniedlichend genannt werden, bald nicht mehr geliefert werden können. Der Cervelat (wieso haben eigentlich alle Schweizer Spezialitäten französische Namen? - Fondue, Raclette, Gruyère) ist eine Kindheitserinnerung und weckt Heimatgefühle.
Am Sporttag verteilte man uns in der Mittagspause jeweils einen Imbiss. Dieser bestand aus einem rohen Cervelat, einem Bürli und einem Fläschli Most. Verschwitzt setzten wir uns auf den Fussballrasen und bissen herzhaft in die Brätmasse. Nur bei der Frage, ob der zähe Rinderdarm, welcher die Masse in Form hält, mitgegessen werden soll oder nicht, schieden sich die Geister. Dieser Zmittag wird heute nicht mehr verteilt am Sporttag. Vielleicht auch wegen der Sparmassnahmen, aber vor allem, weil man einen rohen Cervelat nicht mehr ganz zeitgemäss findet.
Als ich 20 Jahre später als Begleitperson auf eine Schulreise mitging, war die Frage «Cervelat schälen oder nicht?» immer noch nicht vom Tisch. Eines der Schulkinder hatte jedoch eine klare Vorstellung, wie es seine Wurst haben wollte: «Ohne Fell, bitte.» Gut, hab ich halt dem Ding das Fell über die Ohren gezogen. Der Knabe war glücklich, hielt seine Wurst kurz in die Flammen, bis sie aussen verkohlt und innen noch kalt war - es schmeckte ihm vorzüglich ...
Es wäre ja wirklich ein Jammer, wenn uns künftig solche Szenen und gastronomische Erfahrungen vorenthalten bleiben würden. Einen positiven Effekt hätte der Untergang des Cervelat aber vielleicht doch: Die nach der Wurst benannten Lokalberühmtheiten - eben die Cervelatprominenz - würde mit dem Cervelat verschwinden, so meine Hoffnung. Wie schön wäre es, nie mehr Bilder von Baschi und Francine Jordi in der Zeitung sehen zu müssen. Dafür könnte ich glatt zum Vegetarier werden.
82 Millionen Cervelats gehen jedes Jahr über die Ladentheken der Schweiz. Gemäss dem Schweizer Bauernverband wird das auch nächstes Jahr noch so sein. Zwar können weder aus Brasilien noch aus Paraguay mehr Rinderdärme eingeführt werden, aber zur Not könne man auch auf solche aus Australien oder Neuseeland ausweichen.
Wie dem auch sei, Hauptsache, unsere urschweizerische Wurst ist gerettet. Und falls alle Därme reissen sollten, bleibe immer noch die Möglichkeit, Schweinedärme zu verwenden, heisst es beim Bauernverband. Die kommen dann wahrscheinlich aus China oder Polen.
Aber egal, Hauptsache, der nächste Nationalfeiertag ist gerettet.

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