Mittwoch, 2. Mai 2007

Die Sprache der Kleider

Neulich habe ich eine Frau gesehen, die ein T-Shirt trug, auf dem in geschlungenen Buchstaben ein einziges Wort stand: Summer. Bloss Summer. Ein englisches Wort, gewiss, aber das war gar nicht, was mich zum Nachdenken brachte. Englische Wörter sind wir uns mittlerweile gewohnt und schliesslich könnte das Wort ja auch Schweizerdeutsch sein. Nein, viel mehr fragte ich mich: Was bringt eine Frau dazu, ein Leibchen überzustreifen, auf dem der Name einer Jahreszeit steht? Würde sie auch mit dem Aufdruck „Blume“ oder „Verbrennungsmotor“ auf der Brust durch die Gegend gehen? Und die vielleicht wichtigste Frage in diesem Zusammenhang: Was will uns diese Person sagen? Dass es Sommer ist? – Das haben wir ja selber gemerkt, bei 25 Grad am Schatten. Was dann? Dass es Sommer wird? Das wäre dann eine ziemliche Nullnummer. Jede Kind weiss, dass der Sommer kommt, ob es dann regnet oder die Sonne brutzelt ist einerlei.
Bei meiner Arbeit als Snowboardlehrer hatte ich einmal einen Knaben in einem Kurs, der eine Jacke trug mit der Aufschrift: „Active Kids run away“. Ich fragte mich dasselbe wie bei der Dame mit dem Jahreszeiten-Leibchen: Was will mir dieser Mensch mitteilen? Und wie um Gottes Willen kommen Eltern dazu, ihrem Kind eine solche Jacke zu kaufen? Zum Glück hatte der Junge keine Ahnung, was auf seinem Anorak stand – die Geschichte spielt in der Zeit vor dem Frühenglisch –, sonst wäre er wohl auf und davon. Der Junge war nämlich tatsächlich ein aufgewecktes Kerlchen.
Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawik sagte einmal: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Er hatte zweifelsohne Recht, denn egal, was wir tun oder nicht tun, sagen oder nicht sagen – immer ist Verhalten als Kommunikation deutbar. Mit diesem Wissen könnte man beim nächsten Kleiderkauf kritisch vor den Spiegel treten und sich fragen: Wenn ich schon ständig mit meiner Umwelt kommunizieren muss, wäre es dann möglich, eine gescheitere Botschaft zu finden?

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